Störfall Migrant? Geschäftsfall Flüchtling?
Ist der Migrant ein Störfall? Sind Flüchtlinge Geschäftsfälle? Hat die Politik die Brisanz der Lage am neuen Zuwanderungskontinent Europa erkannt? Diese Fragen erörterte eine fesselnde und prominent besetzte Publikums- und Podiumsdiskussion des Friedrich Funder Institutes am 20. Feburar 2017 im Haus der Industrie in Wien.
Zum Auftakt präsentierte Claus Reitan kompakt Fakten und Thesen zur Migration aus den zwölf Experten-Interviews in seinem aktuellen Buch „Die neuen Völkerwanderungen – Ursachen der Migration“.
Worauf werden wir uns künftig einzustellen haben?
Laut Schätzung gäbe es 21 Millionen Zwangsarbeiter innerhalb der Schattenmigration, so Reitan. Zudem existieren Push- und Pull-Faktoren. Einerseits seien es Push-Faktoren, etwa Bevölkerungswachstum und Folgen des Klimawandels, die Menschen zur Migration veranlassen. Auf der anderen Seite stellen Sicherheit, Arbeit und soziale Wohlfahrtstaaten Pull-Faktoren dar, die wanderungsbereite Menschen anziehen. Dazu käme in Österreich wie generell in Europa die demografische Entwicklung, derzufolge die Anzahl der Einwohner ohne Zuwanderung abnimmt.
Das Podium debattierte Fragen und Antworten. Worauf hat man sich einzustellen? Auf steigenden Migrationsdruck. Vermitteln die Medien ein adäquates Bild von den Ursachen und den Folgen der globalen Migration? Nein, sie verharren Stereotypen. Versinkt Europa in Überforderung, Dekadenz und Protest? Ja und nein, doch jedenfalls werden auf allen Medienkanälen auch Übertreibungen vermittelt, um Aufmerksamkeit zu erregen, Clicks zu generieren und aus Stimmung dann Stimmen zu machen.
Am Podium diskutierten
Prof. Claus Reitan (Nachhaltigkeitsjournalist und Autor), Mag. Marina Delcheva-Glantschnigg (Redakteurin Wiener Zeitung), Dr. Andreas Unterberger (Journalist und Blogger) und Prof. Dr. Heinz Faßmann (Vorsitzender Expertenrat Integration, Universität Wien). Unter der Moderation von Gabriele Neuwirth (Journalistin und Vorsitzende der katholischen Publizistinnen und Publizisten Österreichs) gaben die Diskutanten ihre Thesen und Fragen zum Besten.
Für Marina Delcheva stellten die UN-Menschenrechtscharta, der Gleichheitsgrundsatz und die Demokratie Werte an sich dar, die sich die Europäerinnen und Europäer hart erkämpft hätten und für die man auch weiterhin einstehen solle. Die klassische Medienwelt stehe, v.a. angesichts der modernen Medienrevolution – Stichwort „Soziale Medien“ – vor einer riesengroßen Herausforderung.
Andreas Unterberger meinte, dass die heimische Politik viel mehr auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen müsse,da sich die Mehrheit der Bevölkerung klar gegen eine ungebremste Einwanderungspolitik ausspreche.
Heinz Fassmann hielt fest, dass die Migrationsdistanzen ansteigen. Generell wandern eher junge und dynamische Personen. Fassmann sieht im Gegenzug zu Delcheva und Unterberger keine Spaltung und sprach davon, dass es jetzt für eine faire Verteilung der Zugewanderten in Europa gesorgt werden muss. Das europäische Asylsystem sollte realisiert werden, so Fassmann. Einen „Ausnahmezustand“ wie im Jahr 2015 werde es seiner Meinung nach nie mehr geben.
Im Anschluss der gut einstündigen Podiumsdiskussion fand eine anregende Publikumsdiskussion statt, die klar zeigte: Die Sorge um Migration und ihre Folgen ist das beherrschende Thema von Gesellschaft und Öffentlichkeit.
Infos: www.ffi.at