In seinem neuen Buch “Sterben – zwischen Würde und Geschäft” räumt er schonungslos mit unserem Umgang mit dem Sterben auf. Er kritisiert, dass der medizinische Fortschritt uns heute nahezu jede Krankheit heilbar erschienen lässt und dass wir uns mit modernen Behandlungsmethoden immer mehr Lebenszeit erkämpfen wollen. Doch welchen Preis zahlen wir dafür, hinterfragt er. Bedeutet ein längeres Leben automatisch ein besseres? Haben wir verlernt, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren? Denn Sterben würde lediglich versteckt, ausgelagert und unsichtbar gemacht werden, so Dr. Loewit, was ihn jedoch nicht weiter wundert. Denn wenn das Leben nur noch als einziger Hit vermarket wird, mit einem Hit nach dem anderen, was soll dann am Sterben noch Erlösendes sein? Ja mehr noch. “Die Brutalität und Grausamkeit des virtuellen Todes in Krimiserien und Kinofilmen lässt uns weitgehend unberührt. Der wirkliche Tod alter und kranker Menschen macht uns aber vollkommen ratlos.“ so schildert Loewit seine Erfahrungen als Arzt.
Dieses Buch ist ein Plädoyer für Ehrlichkeit, Respekt und menschenwürdige medizinische Begleitung der letzten Lebensphase anstelle von Geschäftemacherei mit der Angst vor dem Tod: “Der Tod ist die allerletzte Gelegenheit, ein Geschäft mit einem Menschen beziehungsweise mit seinen Nachkommen zu machen. Im Gegensatz zu allen anderen Geschäften ist jedoch das Geschäft mit dem Tod ein endgültiges. Da gibt es weder Rücktritt noch Umtausch.“ Wie recht er doch hat. Seine 10 unerlässlichen Gebote für ein würdevolles Sterben sollten wir uns zu Herzen nehmen:
- Der Tod ist integraler Bestandteil des Lebens. Er ist in seiner Notwendigkeit zu akzeptieren. Ihn zuzulassen ist oft würdevoller, als ihn bis zur letzten Minute zu bekämpfen.
- Ein würdevoller Tod ist nur möglich, wenn die Gesellschaft den Sterbenden Zeit, Liebe und Menschlichkeit schenkt. Die Bedürfnisse des Sterbenden sollten dabei wichtiger sein als die eigene Befindlichkeit.
- Dem Wunsch zu Hause sterben zu dürfen, sollte seitens der Medizin und der Politik endlich wieder Rechnung getragen werden.
- Sterben sollte nicht mehr als Versagen gesehen werden und muss wieder in eine menschenorientierte, ganzheitliche Medizin integriert werden. Sterben und Sterbehilfe sollten wie Geburt und Geburtshilfe gesehen werden. Gesetzliche Rahmenbedingungen sind notwendig, der individuellen Umsetzung der Hilfe beim Sterben muss aber ein größerer Spielraum eingeräumt werden.
- Sterbende Menschen mit Chemotherapien und Operationen am Leben erhalten zu wollen ist sinn- und würdelos. Menschen „einfach sterben zu lassen” sollte nicht a priori als krimineller Tatbestand -, sondern als menschenwürdige Alternative zu einem „komplizierten sterben lassen” gesehen werden. Jede medizinische Handlung sollte dahingehend überprüft werden, ob sie dem Wohl des Patienten oder nur der eigenen Absicherung dient.
- Palliativ behandelt zu werden sollte nicht mehr wie ein Todesurteil klingen. Daher müsste der Palliativgedanke wieder gewichtiger und stillschweigender Teil jeder Medizin, aber insbesondere der ärztlichen Sterbebegleitung, sein.
- Die letzten Entscheidungen zum Wohl des Patienten sollten einer von Respekt und Demut gekennzeichneten Arzt-Patient-Beziehung überlassen werden. Um das zu ermöglichen, müsste die Politik die Medizin wieder den Patienten und ihren Ärzten zurückgeben.
- Standardisierte Behandlungsmethoden eignen sich nur sehr beschränkt zur medizinischen Begleitung am Lebensende. Daher sollten individuelle Wünsche stärker in die therapeutischen Bemühungen eingebunden werden.
- Sterben kann nur, wer einmal geboren worden ist. Daher müsste die reservierte Haltung der Gesellschaft ihren immer weniger werdenden Kindern gegenüber überdacht werden. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen mit Nachkommen den Tod besser annehmen können als alt gewordene Singles.
- Der Wert aller juridisch normierten gegenseitigen schriftlichen Verfügungen und Absicherungen zwischen Arzt und Patient sollte zu Gunsten einer breiteren und zeitintensiven zwischenmenschlichen Kommunikation hinterfragt werden.
Posted by Evelyne Huber