Universität Wien: Klimabehörde zum Selbstschutz
Das Klima retten? Unbedingt. Die unbequemen Umweltreformen umsetzen? Eher nicht. Wir sollten den Klimaschutz nicht länger vertagen, fordert Uni Wien-Volkswirt Paul Pichler, und sucht nach Lösungen für das Hier und Jetzt: In seinem aktuellen Projekt modelliert er eine supranationale Klimabehörde. Das vom FWF geförderte Projekt läuft noch bis Ende Februar 2021.
Auf der UN-Klimakonferenz in Paris
Da herrschte noch Einigkeit, dass der globalen Erderwärmung Einhalt geboten werden muss. Den Temperaturanstieg unter 2 Grad am besten auf 1,5 Grad senken – so das ambitionierte Ziel. Nur zwei Jahre später kündigte Donald Trump die Klimaversprechen der USA auf und auch andere Regierungen gerieten angesichts der unbequemen Schutzmaßnahmen ins Hadern. Zu einer konsequenten Umsetzung kommt es nur in Einzelfällen. Schuld daran ist laut Paul Pichler vom Institut für Volkswirtschaftslehre das Problem der „Zeitinkonsistenz“: „Was heute an CO2 eingespart wird, zeigt seine positiven Auswirkungen erst mittel- oder langfristig. Für Regierungen ist es daher einfach, die schmerzhaften Reformen auf die Zukunft oder auf Folgeregierungen zu verschieben.“ so Pichler.
Klimaschutz weiterdenken
Pichler wagt daher ein Gedankenexperiment: Einzelne Länder übertragen ihre Klimaschutzpolitiken an eine supranationale Institution, die – mit einem Mandat ausgestattet – globale Klimaschutzziele festlegt und für deren Einhaltung sorgt. Die einzelnen Staaten verlieren an individueller Entscheidungsgewalt, doch gewinnen sie auch? Könnten wir unser Klima so – zum Wohle aller – schützen? Diesen Fragen geht Paul Pichler vom Institut für Volkswirtschaftslehre in seinem aktuellen Forschungsprojekt nach. Das Kernstück von Pichlers Projekt, das er gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Croner bearbeitet, ist ein ökonomisch-mathematisches Modell: Es erfasst den Zielkonflikt zwischen dem Nutzen, den Länder aus dem Energiegewinn ziehen, und den Kosten, die aufgrund potenzieller Umweltschäden entstehen. Sie modellieren Länder mit unterschiedlichen Charakteristika – groß, klein, arm, reich, stark bzw. wenig vom Klimawandel betroffen – und berechnen, ob eine gemeinsame Klimaschutzpolitik zu einer Besserstellung der einzelnen Länder führen kann. „Die Situation darf sich für die Einzelstaaten nicht verschlechtern, ansonsten ginge der Anreiz, einer solchen Behörde beizutreten, für die Regierungen verloren“, so Pichler.
Die Analyse ist noch nicht abgeschlossen. Was sich aber bereits sagen lässt: Angesichts der nicht abschätzbaren Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundenen Klimakosten wäre die supranationale Behörde in vielen Fällen eine sichere Variante. Im Vorhinein erwarten sich die Wissenschafter von ihrem Modell, dass – rein theoretisch – Staaten(bünde) wie Europa, Russland, China oder die USA profitierten, wenn sie ihre Klimapolitik an eine externe Institution übertrügen. Paul Pichler meint dazu:
„Klimaschutz ist eine schwierige Aufgabe, aber wir sollten Institutionen schaffen, die in der Lage sind, diese schwierige Aufgabe zu meistern. Von der Geldtheorie können wir in puncto Delegierung einiges lernen.“
Denn die Europäische Zentralbank sei ein gut funktionierendes Beispiel aus der Geldpolitik, bei dem sich Einzelstaaten einer supranationalen Institution unterwerfen. „Die Länder waren sich darüber im Klaren, dass sie dazu neigen, eine expansive Geldpolitik oder Inflationsraten in Kauf zu nehmen, um ihre Wirtschaftsleistung zu steigern. Man einigte sich 1992 auf eine gemeinsame Währungsbehörde – sozusagen zum Selbstschutz.“. Die Emission von Schadstoffen wird in Europa bereits über Zertifikate geregelt, erklärt der Volkswirt. Das System hat jedoch Schwachstellen, die im Zuge der vergangenen Wirtschaftskrise evident wurden: „Der Preis der Zertifikate ist gesunken und Unternehmen konnten relativ günstig emittieren. Zum Teil war das politisch gewollt, um die Wirtschaft in Zeiten der Rezession zu stärken. Eine supranationale Institution hätte hier eine Balance schaffen können. Es wäre möglich gewesen, aus der Krise herauszukommen, ohne die Klimaziele dafür zu opfern„, ist Pichler überzeugt.
Supranationale Delegierung von Klimaschutzpolitik
Wie kommt ein Makroökonom mit dem Spezialgebiet Geldpolitik eigentlich zum Klimaschutz? Weil Paul Pichler forscht und lehrt nicht nur am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien, sondern ist auch in der Forschungsabteilung der österreichischen Nationalbank tätig. Seine Themen sind u.a. Geldtheorie, Steuerpolitik, Finanzstabilität und – spätestens mit seinem FWF-Projekt „Supranationale Delegierung von Klimaschutzpolitiken“ – auch die Rettung unseres Klimas. „Wir brauchen einen theoretischen Beweis, dass die supranationale Klimaschutzbehörde funktioniert, bevor angefangen wird, über eine Umsetzung nachzudenken„, so Pichler. Seine Forschung präsentiert er bei wissenschaftlichen Konferenzen und Podiumsdiskussionen, möchte seine Ergebnisse aber dezidiert auch einem politischen Kreis zugänglich machen. „Eine supranationale Behörde bedeutet natürlich einen großen Einschnitt in unsere Institutionenlandschaft, ist aber dringend notwendig„, so der Experte.
Das Projekt „Supranationale Delegierung von Klimaschutzpolitiken“ unter der Leitung von Assoz. Prof. Mag. Dr. Paul Pichler läuft vom 1. März 2018 bis zum 28. Februar 2021. Das am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien angesiedelte Projekt wird vom FWF gefördert. Am Montag, 11. Juni 2018, lud die Universität Wien zur Abschlussveranstaltung der Semesterfrage „Wie retten wir unser Klima?“. Unter dem Stichwort „Herausforderung Klimawandel“ hielt der Meteorologe Mojib Latif einen Vortrag am Uni Wien Campus. Die Veranstaltung zum Nachschauen