Die Zukunft der Energie in Europa
Im Rahmen und in Zusammenarbeit mit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fand Anfang Oktober die 14. Konferenz Europäischer Regionen und Städte des Instituts der Regionen Europas (IRE) in Salzburg statt. Die Konferenz widmete sich unter anderem der „Zukunft der Energie in Europa“. Nationale und internationale Expertinnen und Experten diskutierten. Evelyne Huber und Claus Reitan waren vor Ort.
IRE-Vorstand Franz Schausperger leitete die Diskussion ein und übergab das Wort an den Keynote-Sprecher Florian Ermacor, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission in Brüssel. Ermacor betrachtete eingangs die Dekarbonisierung als Leitlinie für die Zukunft für die Energiepolitik der Europäischen Union: „Wenn man den Klimawandel samt der Klimaerwärmung stabilisieren will, dann müssen 80-95 % CO2 bis zum Jahr 2050 reduziert werden“ so Ermacor. Daher seien auf europäischer Ebene hohe Energieeffizienz-Ziele gesetzt worden.
32,5% an erneuerbaren Energien bis 2030
32,5% an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch wolle Europa bis 2030 erreichen. Ermacor betonte, dass für den Konsumenten weniger die Dekarbonisierung im Vordergrund stünde, stattdessen die Versorgungssicherheit, die Leistbarkeit und die Preiseffizienz. Daher würde es notwendig sein, nicht nur auf nationaler Ebene zu agieren, sondern vorallem auf der europäischen und internationalen Ebene. Er stellte vier Punkte des Reformprogramms vor, welche die Europäische Kommission entwickelt hatte:
- Wind- und Sonnenenergie müssen gleichberechtigt am Markt gehandhabt werden und für eE darf es keine Staatssubvention geben.
- Die Rolle des Konsumenten in der Energiewende soll gestärkt und der Wettbewerb am Markt gefördert werden. Der Konsument soll in die Rolle versetzt werden, Energie bzw. Strom selber produzieren zu können und mittels innovativen Instrumenten seinen Energiehaushalt zu regeln, um am Nachfragemanagement teilhaben zu können. Dazu ist die Verknüpfung einzelner kleiner Produzenten notwendig. Die rechtlichen Grundlagen dafür werden gerade vorbereitet.
- Die Staatsinterventionen sollen zurückgedrängt werden. Dieser große Punkt wird aktuell mit den Mitgliedsstaaten im Europäischen Parlament in aller Klarheit diskutiert.
- Die europäische Netzverwaltung zwischen den Mitgliedsstaat soll frei gestaltet und der Systembetrieb verbessert werden. Nur 30% der Netze, die aufgestellt sind und welche mit den Mitgliedsstaaten verbunden sind, können aktuell für einen Marktaustausch genutzt werden. Als weiteren Schritt betrachtet er auch die Verknüpfung zwischen der Stromwirtschaft, der Wärmeindustrie und der Gasindustrie.
„Wenn wir die Subventionen herunterbekommen, den Markt flexibler machen, den Konsumenten mithineinnehmen, dann sehe ich nicht viele Alternativen. Die Alternative sind nicht nationale Staatsintervention, um Kohlekraftwerke zu fördern. Es wird gar nicht möglich sein, sich national nur auf Atomenergie auszurichten. Es wird nicht möglich sein, weil das Geld fehlt. Das heißt also, der große Trend wird die Energiewende mit sehr viel eE, mit sehr viel dezentraler Produktion sein, mit innovativen Technologien (Speicher-, Elektromobilität, Wärmepumpen,…).“
Dies – so Ermacor – würde nun nicht bedeuten, dass „die Energiewende eine zentrale Veranstaltung sein wird, die Brüssel koordiniert.“, sondern eine erfolgreiche Energiewende müsse in einer Gesamtsicht angegangen werden und die Diversität der Energieerzeugung in den Regionen und auf lokaler Ebene würde dabei ein großes Thema spielen.
Österreich hat günstige Ausgangslage
In der daran anschließenden Diskussion unter der Moderation von Stefan Veigl, Journalist der Salzburger Nachrichten, nahm Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG in Wien, ebenfalls auf die trilaterale Zielsetzung der Energie in Europa Bezug: mehr erneuerbare Energie, mehr Versorgungssicherheit und mehr Leistbarkeit. Er bestätigte, dass der Konsument mit in´s Boot genommen werden müsse und die Dekarbonisierung als übergeordnete Herausforderung für die Zukunft stehe. Da Anzengruber beruflich aus dem Strom-Sektor stammte, konzentrierte er sich in seinen Ausführungen auf die Stromerzeugung: Bereits 65% der Stromerzeugung kämen in Österreich aus erneuerbaren Energieträgern, seit Jahrzehnten bereits. Österreich hätte dank seiner Wasserkraft eine sehr günstige Ausgangsposition. „Wir haben in den letzten 10 Jahren diesen erneuerbaren Anteil in der Stromerzeugung von 65% Wasserkraft auf etwa 75% ausgebaut. Das heißt, 10% sind aus anderen Technologien wie Biomasse, Wind und Sonne hinzugekommen“, so Anzengruber.
Markt- und Wettbewerbsorientierung
Für die Umsetzung der ambitionierten österreichischen Klima- und Energie-Strategie ginge es für Anzengruber konkret um zwei Punkte: die Stromerzeugung soll vermehrt und die Energie-Effizienz ausgebaut werden. Bezugnehmend auf die von Leonhard Schitter, Präsident des E-Wirtschafts-Verbandes, erwähnten Ausbau von 100.000 PV-Anlagen meinte Anzengruber, dass die Energiegewinnung jeweils ein Drittel aus Wind, Wasser und Sonne angestrebt werden würde. Wobei es konkret beim Thema Wasser um die Errichtung neuer Wasser-Kraftwerke bzw. Wasseranlagen ginge, um die vorhandenen Ressourcen wirtschaftlich zu nutzen. Deren Umsetzung würde von Anreizen aus dem Markt abhängen. In dem Zusammenhang betonte Anzengruber, dass das Thema Energie in Zukunft vermehrt marktwirtschaftlich und wettbewerbsorientiert organisiert werden müsse und innovative Technologien auf den Markt gebracht werden müssten. „Ich glaube, Staatssubventionen im Energiebereich sind – wenn überhaupt notwendig – eine Überbrückung und müssen möglichst rasch aus dem System heraus“. Eine natürliche Konsequenz daraus würde sein, dass die Kosten für die Konsumenten steigen werden. „Denn die billigste Technologie im erneuerbaren Bereich, die wir heute kennen, liegt bei 55 EUR die Megawattstunde. Das sind die Vollkosten der Erzeugung. Und diese Kosten müssen irgendwann einmal der Markt auch repräsentieren, wenn er auch ohne Förderungen durchkommen kann. Die Technologien sind durch Förderungen nicht billiger geworden. Sie werden halt nur über ein anderes Konto bezahlt.“ meinte Anzengruber.
Energie effizienter gestalten
Ein wesentlicher Punkt für die Energiewende sah Anzengruber in der Effizienzsteigerung. Bei installierten Anlagen müsste ein größerer Output erreicht werden. Wobei er das größte Wachstumspotential in der Sonnenenergie sah. Die Degression auf der Kostenseite, der Mehrwert der Dezentralisierung und die verstärkten Prosumer-Zugänge würden dies unterstreichen. „Ich bin überzeugt davon, wir sollten in Zukunft keine Häuser mehr ohne zwingende Photovoltaik-Anlagen bauen. Hier geht es auch um Großanlagen und wir werden auch über Freiflächen-Anlagen – sofern diese nicht landwirtschaftlich genutzt sind – nicht hinwegkommen. Das wird notwendig sein.“ Windanlagen sollten nach Anzengrubers Ansicht nur dort gebaut werden, so Wind herrscht und die installierte Basis an Windanalagen sollte repowert werden: „Daher größere und mehr Anlagen sollen mehr Output bringen und effizienter ausgebaut werden“ so Anzengruber und weiter: „Mit steigenden Marktpreisen wird das Interesse und der Charme von Effizienzsteigerungsmaßnahmen notwendig werden und ich glaube in einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft ist der Treiber jeder Investition die Wirtschaftlichkeit und die Profitabilität.“
Probleme nach dem Floriani-Prinzip nicht lösbar
Die Energiewende ist stellte für Anzengruber auch eine Finanzwende dar. Denn heute gäbe es weder EU-Finanzierungen für ein Kohlekraftwerk, noch für Kernkraftwerk. Und das hielt er für eine große Unterstützung: „Schaffen wir diese Dekarbonisierung nicht, dann haben wir nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Probleme. Und das ist eine Bedrohungsszenarium“. Anzengruber schloß mit den Worten: „Ich glaube, der Ansatz „not in my backyard“ oder mit dem Floriani-Prinzip werden wir das nicht lösen können“. Für den wesentlichen Zugang hielt er, dass die Kapazitäten und die Ressourcen, die vorhanden seien, gemeinsam angewendet werden würden: „Die junge Generation ist hier unsere Chance. Wir müssen unser Kommitment auch in die Tat umsetzen. Wir haben fast alles bereits für die Zukunft erfunden. Wir müssen nur bereit sein, es anzuwenden.“
Kroatien will EU-Energieziele erreichen
Der Staatssekretär für Energiefrage in Zagreb/ Kroatien, Ivo Milatic, sprach anschließend zum Energiestand in seinem Land. Er meinte, dass in Kroatien das Ziel bis 2020 überschritten wurde und jetzt intensiv auf die von der EU vorgegebenen 32% hingearbeitet werden würde. Die aktuelle Ausgangslage in Kroation schilderte er so: „Wir importieren 78% unseres Energiebedarfes, 28% davon aus dem Atomkraftwerk Krško, welches eigentlich zur Hälfte uns gehört. Wenn Sie mich fragen, wie wir diesen Anteil ersetzen wollen, dann vorallem mit Wasserkraft. Wir arbeiten auch viel daran, dass die Solarenergie ausgebaut wird und uns ist es wichtig, dass möglichst viel Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Wir haben vor, uns in Zukunft nicht mehr auf fossile Energiequellen zu konzentrieren.“
Milatic betonte, dass Kroatien bemüht sei, seine Ziele zu erreichen. Aktuell würde die Energiestrategie mit Ausblick auf 2050 – unter Berücksichtigung der Punkte, welche die EU verlangen würde – ausgearbeitet werden. Hierfür wurden bereits eine Reihe von Gesetzen geändert. Die Verbraucher müssten dabei im Zentrum des Interesses liegen. „Wir rechnen mit der Entwicklung der Technologien und der Digitalisierung und der Verbraucher muss in der Lage sein in einfacher Art und Weise als Treiber aufzutreten.“ Kroatien würde auf ein Prämienmodell und auf Förderungen umsteigen und versuchen, sich vermehrt direkt mit Nachbarländen zu verbinden – wie Österreich, Ungarn, Griechenland, aber auch mit Albanien und Montenegro.
Verbraucher werden Prosumer
Ziel wäre es, dass Verbraucher zu Prosumer werden und möglichst viel Energie mittels eigener Energieproduktion einsparen könnten. Milatic schilderte: „25 % unseres BIP kommen aus dem Tourismus. Unser höchster Energieverbrauch findet im Sommer, in den Monaten Juli und August, statt. Die Belastungen des Energiesystems müssen zu diesen Spitzenzeiten vermindert werden und dadurch werden wir die Importe reduzieren können“.
Abschließend meinte Milatic, dass früher lediglich von einer Energiestrategie gesprochen wurde. Heute hingegen würde von einer Klima- und Energiestrategie gesprochen werden, womit erkennbar wäre, wie sich unsere Denkweise geändert habe: „Ich bin ein großer Optimist. Heute ist alles sehr transparent, es ist eine öffentliche Diskussion möglich. Ein Minister kann nicht so einfach ein Gesetz ändern. Wir müssen umsteigen, wir müssen die Ziele 2020 realisieren, denn wir haben keinen anderen Ausweg.“
Kernenergie hat keine Zukunft
Anschließend sprach der Direktor des Sekretariats der Energiegemeinschaft in Wien, Janez Kopac zum Thema Atomenergie. Er meinte, dass in Europa viele Atomkraftwerke stehen würden, er sich jedoch sicher wäre, dass keine neuen zusätzlichen Kraftwerke gebaut werden würden. Er begründete dies mit dem Kostenfaktor. Die Technologie hätte sich weiterentwickelt und die Kernenergie sähe er nicht als die Zukunft der Vertragsparteien der Energiegemeinschaft: „Unsere Vertragsländer sind zwar immer einen Schritt hinten, Kohlenkraftwerke sind jedoch am Aussterben und dieser Übergang wurde am ersten Jänner dieses Jahres begonnen“. Das bedeutete für Kopac aktuell, dass Verbrennungsanlagen in den Mitgliedsstaaten geschlossen werden müssten. In Serbien wären dies beispielsweise acht Kohlekraftwerke, in Mazedonien und Montenegro jeweils eines und in Kosovo würde aktuell ein neuer Kohleanlagenbau dem Staatshilfegesetzwiederspren, was für die Vertragsländer ein Dilemma darstellen würde.
Risikoabdeckung für neue Energieanlagen
Als Schwierigkeit beim Bau von neuen Energieanlangen im Bereich der erneuerbaren Energien würden für Kopac die Länderrisiken darstellen. Denn in Ländern mit einem erhöhten Länderrisiko würden beispielsweise Kredite für Windräder mehr kosten. In dieser Angelegenheit würde aktuell ein Europäisches Schema für eine Länderrisiko-Abdeckung diskutiert werden, welche eine Art Versicherung darstellen würde. Dies würde das Risiko verringern und die Kommission und das Europäische Parlament dazu bringen, mehr zu investieren und damit könnte wiederum dieses Schema der Risikoabdeckung auch auf die Energieinvestitionen erweitert werden. „Das heißt, es geht jetzt nicht mehr darum, dass beispielsweise China investiert, sondern man sollte die Investitionskosten senken, indem man auch das Länderrisiko senkt.“
100% erneuerbare Energie für Europa
Kopac plädierte wie seine Vorredner dafür, dass die Verbraucher mit ins Boot genommen werden müssten und dass Verbraucher sich an große Photovoltaikanlagen gewöhnen werden müssten: „Jedes Zeitalter bringt eine Veränderung in die Landschaft hinein. Wir müssen das schlucken, weil wir laufen um unser Leben. Europa wird langsam immer weniger wichtig. Unsere einzige Chance, um am Markt zu bleiben, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. In Europa haben wir 400 Mrd. EUR Importgelder von Arbien, Russland u.s.w.. Wenn man das für erneuerbare Energie-Anlagen einbringen würde, das würde schon viel bringen. Es gibt nur eine Lösung für Europa: 100% erneuerbare Energie. Das ist nicht nur eine Umweltfrage, sondern auch eine strategische Frage für unsere jüngere Generation.“
Verkehrssektor braucht neue Geschäftsmodelle
Zu der Energiewende im Verkehr sprach anschließend Angela Köppl, Spezialistin für Umweltökonomie, Klimawandel und Energie und Umwelttechnologie am Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFO) in Wien. Sie meinte, der Verkehr sei eines der großen und komplexen Probleme in der Klima- und Energiedebatte. Die Substitution aller Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren stellte für sie jedoch keine Lösung dar, denn dadurch werde das Problem nicht gelöst: „In unseren Forschungen richten wir unseren Fokus auf ein anderes Verständnis von Verkehr. Wir sprechen von Mobilität und welchen Nutzen will ich durch Mobilität erzielen. Das ist der Zugang zu Menschen, Güter und Orten und damit eröffnen sich durch Technologie neue Möglichkeiten“ so Köppl. Am Beispiel von Teleworking und Videokonferenzen würde für sie ersichtlich werden, dass nicht jede Art der Mobilität mit einer physischen Bewegung verbunden sein müsse. Wichtig wäre daher immer zuerst die Fragestellung nach dem Bedürfnis, nach den vorhandenen Verkehrsträgern und wie diese miteinander verbunden werden könnten. Laut Köppl werde dies zur Folge haben, dass neue Anbieter und neue Geschäftsmodelle im Verkehrsbereich eintreten werden müssten.
Kostenwahrheit auf EU-Ebene
Köppl forderte, dass die Besteuerung der fossilen Brennstoffe im Verkehrsbereich – wie beispielsweise im Dieselbereich, aber auch im Flugverkehr – ins Blickfeld genommen werden sollten. Steuerlich wirksame Maßnahmen und eine Verbesserung der Emissionswerte der Verbrennungsmotoren sollten auf EU-Ebene wirksam werden. Vorallem im Flugverkehr, der aktuell noch gänzlich von einer Besteuerung ausgenommen wäre, bedürfte es eines internationalen Gleichklangs, um eine größere Kostenwahrheit herbeizubringen.
Energieproduktivität statt Energieeffizienz
Köppl sprach auch die Kostenwahrheit bei der Gebäude-Bewertung an. „Es geht um andere Standards für die Finanz-Industrie, die in Häuser investieren wollen, damit der Wert eines Gebäudes durch den geringeren Energiebedarf in der Finanzwirtschaft auch bewertet und gesehen wird.“ Sie legte abschließend Wert darauf, dass der Begriff Energieeffizenz durch den Begriff Energieproduktivität ersetzt werden würde und begründete dies so: „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen wir die Energieproduktivität ganz dramatisch steigern und dafür brauchen wir einen anderen Blick auf unser Energiesystem. Also weniger nur darauf achten, woher unsere Energie kommt, dafür vermehrt darauf schauen, wofür wir Energie verwenden und welchen Nutzen wir aus Energie ziehen. Weil das ist das, was all unseren Wohlstand bestimmt.“
Europa hat Nachholbedarf
Zum Thema Energiespeicherung sprach anschließend Nebojša Nakićenović, Generaldirektor-Stellvertreter des Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Wien. Er forderte, dass wir im Zuge des Dekarbonisierung-Gedankens erkennen sollten, dass unser Energiesystem überaltert wäre: „Der Ausstieg aus Kohle, aus fossilen Verbrennungsmotoren, bedeutet, dass wir das Energiesystem neu entwickeln müssen. Das heißt nicht nur Netze, sondern auch Gasleitungen und die Möglichkeit schaffen, Strom zu speichern oder Strom in Gas umzuwandeln, sodass man eine Dualwirtschaft von Gas und Strom hat“. Wasserstoff und Strom als komplementäre Energieträger mit null Emissionen stellten für Nakićenović die Zukunft darf. Er bezog sich auf eine Studie von vor 20 Jahren namens „Supra-Grid-Studie“, welche zeigte, dass Stromleitungen zusammen mit Wasserstoff gebündelt werden könnten. China könnte bereits ein sehr gutes „One-road-Programm“ aufweisen, Europa hätte hier seiner Ansicht nach Nachholbedarf.
Retrofitting der Energie
Die Situation für die Autoindustrie schätzte Nakićenović prinzipiell als nicht leicht ein. Denn bekannt sei, dass die Autoflotte in Europa auf 10% reduziert werden könnte, wenn diese in „Shared Economie“-Fahrzeuge umgewandelt werden würde. Er betonte, dass eine Flotte von Elektroautos auch einen virtuellen Speicher darstellen würde. Und er unterstrich, dass wir in Österreich in einem sehr reichen Kontinent mit 40.000 Dollar pro Kopf Einkommen leben würden und dennoch könnten sich über 50 Mill. Menschen das Heizen im Winter nicht leisten. Seiner Meinung nach läge die Lösung in einem „Retrofitting“, das heißt, dass der Energiebedarf deutlich reduziert werden würde: „Es ist nicht nur High-Tec wichtig, sondern auch die institutionelle, gesellschaftliche Veränderung sind wichtig“.
Österreich vom Klimawandel besonders betroffen
Nakićenović mahnte abschließend, dass gerade Österreich vom Klimawandel besonders stark betroffen sei und daher eine besondere Vorreiter-Rolle inne hätte: „Aus dem Sachstandsbericht wissen wir, dass der Anstieg in Österreich bereits über 2 Grad beträgt, weltweit jedoch nur bei 1 Grad liegt. Das heißt, wenn wir überall von 2 Grad sprechen, bedeutet das in Österreich 4 Grad“ und weiter:„Das erforderliche 2 Grad Ziel bedeutet weltweit null Emissionen bis 2050. Das heißt, die EU-Ziele sind nicht ambitioniert genug, auch wenn sie fast unerreichbar erscheinen. Wir müssen ein viel höheres Ambitionsniveau erreichen.“
Selbstverpflichtung aller EU-Länder
Florian Ermacor sprach zum Abschluss über die notwendige Selbstverpflichtung aller EU-Länder in der Energiewende. Es stehe für ihn außer Frage, dass beispielsweise der Verkehr und die Landwirtschaft vermehrt Beiträge leisten müssten. Der Weg sei bislang hierfür noch nicht klar. Für ihn wäre jedoch dennoch bereits genug Ambitionen für die Energiewende vorhanden. Ermacor übte Kritik, dass diese Ambitionen durch semipopulistische Maßnahmen auf nationaler Ebene konterkariert werden würden. Daher hätte man sich nun bei der Umsetzung der Ziele darauf geeinigt, nicht mehr auf die rechtlich verbindlichen Prozentsätze zu achten, sondern sehr flexibel auf konkrete Maßnahmen im Energie-Effizienzbereich zu schauen, beispielsweise in die Gebäudesanierung oder in das Strommarkt-Design.
Jeder Mitgliedstaat müsse aktuell zumindest einmal im Jahr durch seine Berichte plausibel machen, ob er seinen Beitrag zu der 32,5% erneuerbare Energie-Effizienz erreichen werde. Wenn in der Analyse ersichtlich werden würde, dass ein Staat diese Ziele nicht erreichen werde, würde ein möglicher Ausgleich durch andere besondere Fortschritte in anderen Mitgliedstaaten als Maßstab herangezogen werden. Und wenn hier auch kein Ausgleich stattfinden würde und ersichtlich werde, dass dieses neue flexible System nicht greife, dann werde wieder zu dem alten System mit „command and controll“ zurückgegangen werden und letztendlich auch bis zum europäischen Gerichtshof gegangen werden müssen. Ermarcor meinte dazu: „Mit diesem Konvolut an Maßnahmen in diesen verschiedenen Bereichen haben wir eigentlich eine große Zuversicht.“
Common Sense notwendig
Lobende abschließende Worte fand Ermacor, dass alle Diskutanten am Podium einer Meinung waren. „Das ist fast schon ein Urlaubstag für mich. Denn meine Realität sieht tagtäglich so aus, mit all den Mitgliedsstaaten und mit dem Europäischen Parlament zusammenzusitzen und das was wir hier heute als „common sense“ betrachten, wird dort mit aller Mühe versucht, weiterzubringen und durchzufechten. Von dem her ist die Frage nahezu exotisch, inwiefern die EU die Kostenwahrheit auf internationaler EU-Ebene propagiert.“ Die Europäische Kommission versuche die Kostenwahrheit durchzubringen, aber die Interessen wären so divers, dass die Kommission hier keine Chance hätte, so Ermacor. Und viele Mitgliedstaaten würden nach wie vor auf Nuklear- oder auf Kohle-Kraft setzen.
Teure Zukunftskosten
Wenn diese Mitgliedstaaten alle externen Kosten – alle Zukunftskosten und somit auch die Lagerung für 20.000 Jahre Atommüll – auf die Rechnung ihrer Konsumenten schlagen würden, dann wäre die Energie in keinster Weise leistbar. „Deswegen müssen wir vorausblicken und im Großen diese Strukturen ändern“, so Ermacor und weiter: „Aber sicher nicht von heute auf morgen. Wir werden das sicher nicht übers Knie brechen können“. Europa werde überschätzt, wenn angenommen werden würde, dass beispielsweise die Förderung der Nuklear-Kraftwerke in England mit nationalen Mitteln verhindert werden könnte.
Richtung stimmt
Ermacor schloß die Diskussion mit den Worten: „Europa ist kein Monolith, der vorgibt, wie alles zu sein hat. Das bedeutet daher sehr viel Diskussion. Das bedeutet sehr viel Konsensbildung. Aber ich denke trotz allem, wir können optimistisch sein. Es geht in die richtige Richtung.“
[…] in der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission in Brüssel, sprach auf der IRE-Konferenz zur „Zukunft der Energie Europa“ in Salzburg davon, dass Europa 32,5% an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 […]