Zukunft ohne Naturräume?
Unter dem Motto „Europe’s Transformation: Where People Matter“ trafen sich am 14. November 2018 Expert_innen im Austria Center Vienna zur Konferenz „Wachstum im Wandel“ um über den Schutz der Naturgebiete zu diskutieren. Die Veranstaltung trug den Titel „Zukunft ohne Naturräume?“ und wurde von B.A.U.M. organisiert. Evelyne Huber war mit der Redaktion cooppa vor Ort und berichtete:
Unter der Moderation Eva Berger, Vizepräsidentin von B.A.U.M.-Austria, begann Kerstin Friesenbichler, politische Verantwortliche für Naturschutz und Biodiversität ihre Keynote mit dem You-Tube-Film „Biodiversity and Health – preserve diversity, protect health!“,
in dem sie darstellte, warum Biodiversität und der Erhalt der Ökosysteme für jeden wichtig wäre. „Pflanzen, Tiere und Lebensräume leisten viel für unser Leben und unsere Gesundheit. Eine massive Bebauung, die Verwendung von Pestiziden und Umweltverschmutzung reduzieren die Vielfalt“, so Friesenbichler. Daher müsste jede Raumplanung, jede Neuplanung die Naturverträglichkeit miteinbeziehen. Täglich würden mindestens 20 Fussballfelder verbaut, womit auch Lebensthemen zerschnitten werden würden. „Flächen von hoher ökologische Bedeutung müssen langfristig aufrechterhalten werden. Die Biodiversität muss stärker berücksichtigt werden und Naturschutz ist auch Gesundheitsschutz“. meinte Friesenbichler. Dazu regte sie an, dass der Begriff „Bio-Diversität“ als wertvolle Ressource vermehrt in schulische Lehrpläne eingebaut werden müsste. Sie bedauerte, dass die Bundesministerin in ihrer WiW-Begrüssungsrede den Stopp der Biodiversität und die Biodiversitäts-COP 14 in Ägypten vom 17.-29.11.18 nicht erwähnt hatte und schloß mit den Worten:
„Der Bio-Diversitäts-Schutz braucht ein Mainstreaming“
Auch der Begriff „Umweltgeschichte“ müsste vermehrt implementiert werden, betonte anschließend Gertrud Haidvogl vom Institut für Hydrobiologie und Aquatische Ökosystemmanagement Universität für Bodenkultur in ihrem Impulsvortrag. Es würde sich dabei nicht um die Geschichte der Umwelt handeln, sondern um die Untersuchung, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur verändert und verändert hat. Dieses Verhältnis wäre für gesellschaftliche Entwicklungen zentral. Der Wechsel vom Energieträger Holz zu fossilen Energieträger Kohle hat beispielsweise ein bis dahin nie gekanntes Wachstum der Menschheit gefördert. (siehe „Great Acceleration“). Auch wenn sich dadurch vieles zum Besseren gewendet hätte – wie beispielsweise hygienische und medizinische Verbesserungen oder Hochwasserschutz – so gab es auch eine Vielzahl an unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Diese würden Legacies oder Altlasten genannt und würden uns heute noch beschäftigen, wie der Verlust von Ökosystemen beispielsweise, durch den systemischen Ausbau der Donauregulierung. Oder die Verschmutzung von Gewässern und Böden. „Eingriffe in die Natur zur Minimierung von Risiken schaffen neue Formen von Unsicherheiten und Risiken. Die Umweltgeschichte belegt, wie wichtig es ist, vorsorgend zu handeln und zu bedenken, dass Eingriffe in die Natur langfristig zu bedenken sind.“ so Haidvogl und sie meinte abschließend:
„Ich hoffe, dass sich die Welt 2020 ändern wird“
Bernhard Kohler vom World Wide Fund für Natur widmete sich anschließend der Frage „Wieviel Platz braucht die Natur eigentlich?“ Er konzentrierte sich auf das SDG-Goal 15, Life on Land und den Schutz von Naturgebieten und auf das CBD-Aichi Target 1 : „Bis 2020 müssen 17% am Land, also terrestrisch, und 10% Ozean, also marine, erhalten werden.“ so Kohler. Wobei er betonte, dass 17% an Schutzgebiete aus wissenschaftlicher Sicht nicht ausreichend seien, um die heute noch vorhandene Biodiversität wirksam zu schützen. Mit Verweis auf den kürzlich erschienen
Living Planet Index belegte Kohler, dass wir seit 1970 weltweit mit einem Rückgang der Wirbeltierpopulationen im Ausmaß von 60% zu kämpfen haben. Sein Fazit lautete daher: Wir bräuchten mindestens 50% Schutzgebiet-Anteil und er verwies auf die Bewegung Nature Needs Half! Positiv blickte er insofern auf die kommende Biodiversitäts-COP 14 in Ägypten und forderte, dass Ökoleistungen umfassender abgegolten werden müssten:
„Ein Grundbesitzer muss für seine Ökoleistung, Wasserpflege und Erholungsgebieterhaltung bezahlt werden.“
Gerald Plattner vom Naturmanagement der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) und B.A.U.M. – Österreichisches Netzwerk für nachhaltige Führung, ging in seinem anschließenden Impulsvortrag der Frage nach, welche Natur wollen wir? Die Bundesforste besitzen eine Gesamtfläche von 850.000 ha mit einer jährlichen Betriebsleistung der ÖBf AG von 235,6 Mio.. 1.025 Mitarbeiter tragen 28,6 Mio. zum Bundesbudget bei. Es gäbe jedoch Störungen, wie beispielsweise den Klimawandel, so Plattner und dieser würde Kosten von bis zu 15 Mio. Euro pro Jahr verursachen, in Form von verstärkten Auftreten von Wetterextremen wie Stürme, Starkregen, Hitze und Trockenperioden. „Es ist die große Herausforderung des 21. Jhd. resilienter zu werden“, so Plattner und weiter: „Fichte aufforsten war ein Eingriff in die Natur und dies zeigt sich jetzt als Fehler“. Ziel sei daher die langfristige Sicherung der Schutz-, Nutz-, und Erholungsfunktion des Waldes und der Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt. Komplexe Herausforderungen würden diffenrenzierte Antworten und umfassende nachhaltige Sichtweisen erfordern, so Plattner.
„Die Zukunft ist nur mit hochwertigen Naturräumen möglich“
Daran müssten wir alle gemeinsam daran arbeiten, so Plattner abschließend. Johannes Peterseil, Abteilungsleiter vom Umweltbundesamt, Ökosystemforschung und Umweltinformationsmanagement, Umweltbehörde Österreich stellte daran anschließend Ecopotential vor, dies sei eine erfolgsversprechende Datensammlung für das Management für Schutzgebiete. Eine Vielzahl an Informationen würde benötigt werden, um Schutzgebiete und ihre hohe Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen bewerten zu können. Hier würde das Projekt „Ecopotential“ ansetzen. Dieses bestünde aus 48 Partnern auf europäischer Ebene und 25 Schutzgebiete weltweit. Hierbei arbeiteten Schutzgebietsmanager über Analysen mit Storylines. Das heisst: Bereitstellung von Fernerkundungen, Felddaten, Modellierung, e-infrastruktur, Training und Politik-Support.
Fazit der Veranstaltung: Ohne Natur keine Zukunft
Anschließend wurde die Bedeutung natürlicher Gebiete für junge Menschen angesichts des Cyberspace und der erweiterten Realität mit Schülern der Sir Karl Popper Schule diskutiert. „Die virtuelle Realität ist lediglich eine nette, kostenlose Spielerei“ antwortete beispielsweise ein Schüler und weiter: „Aber dies ist keine echte Erfahrung. Ein größerer Punkt der Zukunft wird augmented Reality werden, also eine angereicherte Realität. Der Gestank eines Bauernhofes wird niemals ersetzt werden können. Das Spüren der Natur kann nicht mit dem Aufsetzen einer Brille ersetzt werden.“ Und ein anderer Schüler meinte abschließend: „Wir haben eine kranke Demokratie, wenn wir denken, es ist Aufgabe der Politik, die Natur zu schützen. Denn es ist eine Aufgabe von uns allen.“